Winterarbeit

Mein Programm gegen den

WINTER-RIDER-BLUES

Kurze Tage, Kälte, Nebel, Frost, Eis. Für viele Pferde- und Stallbesitzer die härteste Zeit im Jahr: Die tägliche Stallarbeit wird um ein Vielfaches anstrengender, weil Pferdeäpfel und Einstreu anfrieren, Tränken aufgetaut, die Wege für die Schubkarre oft erst mühsam freigeschaufelt werden müssen, ehe mit der eigentlichen Arbeit überhaupt begonnen werden kann. Wer über keine Halle verfügt, bangt, ob der Reitplatz oder die Ausreitwege nach einsetzendem Frost und/oder Schnee noch bereitbar sein werden, und während ein Regenritt im Sommer noch als angenehme Abwechslung empfunden wird, ist selbiges im Winter wenig einladend. Zaum- und Sattelzeug sind klamm und steif, Riemen, Schnallen, Gebisse und Gurte erweisen sich allesamt als wenig kältetauglich. Und trotz zweier Paar Socken und dicker Thermohose frieren einem beim Reiten schon nach kürzester Zeit Beine und Füße ein, was auch daran liegt, dass man nur noch im Schritt unterwegs ist, weil die Bodenverhältnisse nicht mehr hergeben. Nicht zuletzt sieht der arbeitende Pferdebesitzer seine Pferde unter der Woche meist nur noch bei Dunkelheit, da es morgens noch und abends schon finstere Nacht ist, wenn man in den Stall kommt. Kurz: Es ist hart.

Seit über zwanzig Jahren lebe ich mit Pferden. Jahrein-jahraus. Mein Winter-Pferdealltag unterscheidet sich erheblich vom Rest des Jahres, und das liegt vor allem daran, dass ich dem Winter-Reiter-Blues soviel Nährboden wie nur irgend möglich entziehen möchte.

Wenn dich interessiert, wie ich mir die Freude an meinen Pferden und der Zeit mit ihnen nicht nehmen lasse, sind die folgenden Tips etwas für dich!



Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung.

Das ist eine Halbwahrheit. Es gibt schlechtes Wetter. Definitiv. Es gibt Wetter, das einem auf die Laune schlägt. Es gibt Wetter, das einen schlecht schlafen lässt, Wetter, das einem Angst und Sorgen macht, Wetter, das Opfer fordert. Das Wetter hat einen entscheidenden Einfluss auf unser Wohlbefinden - und zwar in dem Maße, indem wir in unserem Alltag und unserem Leben davon abhängig sind. Wer es im Winter gemütlich und kuschelig findet, wenn es draußen schneit und stürmt, der sitzt wahrscheinlich gerade bei einer Tasse Kakao im Warmen. Versteht mich nicht falsch - dagegen ist rein gar nichts einzuwenden. Als Pferdebesitzerin und Betreiberin eines eigenen Stallbetriebes ist es allerdings so, dass man bei jedem Wetter raus muss. Erst wenn draußen alles erledigt ist, kann man ins kuschelige Warm - und das meist nur für kurze Zeit. Was allerdings wahr ist, ist, dass es schlechte Kleidung gibt. Und das sowohl sprichwörtlich als auch im übertragenen Sinn. Es gilt: Je entsprechender man gekleidet bzw. vorbereitet ist, desto weniger schlimm empfindet man schlechtes Wetter.

Meine kleidungstechnischen Begleiter im Winter sind Thermounterwäsche, Thermohosen, wasserdichte Jacken, ein richtig warmer, fast bodenlanger Mantel, Handschuhe in verschiedenen Ausführungen,Hauben und mindestens zwei Paar warme und wasserdichte(!) Winterstiefel. Letztere halten bei mir meist nur ein bis zwei Saisonen, denn die Wintermonate fordern ihren Tribut. Das erste, was meist verloren geht, ist die Dichtheit. Spätestens wenn sich die Nähte am Oberstiefel lösen, wird es meist Zeit, loszulassen.

Eine Alternative stellen Jagdstiefel dar, die längerlebig sind, aber mir blutet das Herz, diese zur Stallarbeit zu tragen. Gummistiefel, die vor allem in der noch etwas wärmeren Übergansgzeit meine Begleiter sind, eignen sich, wie die Jagdstiefel, weniger zum reiten, da sie zu klobig sind. Ja, ich reite auch im Winter. Daher ist mir bei der Kleidung auch die Beweglichkeit wichtig. Eigene Winterreitstiefel besitze ich nicht, da sie mir zu empfindlich (und zu teuer) für den Stallalltag sind. Das wäre wahrscheinlich anders, wenn ich im Winter eine Halle zum Reiten hätte, oder wenn ich auf Turnieren unterwegs wäre. Da der Winter bei mir reittechnisch die ruhigste Zeit im Jahr ist, brauche ich aber keine schicken Reitstiefel.

Modetechnisch fällt der Winter-Kleidungsstil überhaupt etwas mau aus. Farbtechnisch bin ich hauptsächlich in schwarz-grau-Tönen unterwegs. Das ist ein bisschen traurig, aber auch praktisch. Um wenigstens einen kleinen Farbtupfer zu setzen, trage ich bunte Mützen.

Handschuhe und Schuhe müssen wirklich wasserdicht sein! Es gibt nichts ekelhafteres, als eiskalte und nasse Hände oder Füße, wenn man mehrere Stunden am Stück bei Graden um oder unter Null unterwegs ist. Da es in den Wintermonaten oft regnet oder schneit, müssen zumindest an diesen Tagen die teureren, wasserdichten Utensilien her. Diese haben an den niederschlagsfreien Tagen Pause, wo es wichtiger ist, dass sie mich warmhalten und für´s Reiten geeignet sind. Was immer zum Einsatz kommt, sobald die Temperaturen unter Null fallen, sind Thermo-Überhosen. Ich mag die sogar lieber als Thermounterwäsche, sie halten sehr warm und schützen die Kleidung darunter gleichzeitig vor Schmutz und Nässe. Ich hab mir vor Jahren eine Thermoreithose von ELT gekauft, die leicht und warm ist. Die Hose kann ganz einfach über Reithosen oder nicht zu weit geschnittene Jeans getragen werden. Das Teil wird bei mir sehr selten gewaschen (meist nur zu Ende der Saison), was die Lebensdauer sicherlich erhöht. Diese Hose ist bequem, wind- und wasserabweisend, und warm.

Bei sehr eisigen Temperaturen und Wind trag ich darüber noch meinen dicken Reit-Wintermantel, anstatt einer Jacke. Dieser reicht bis zum Boden. Wenn ich damit reiten will kann ich Reissverschlüsse öffnen, die den Rockteil des Mantels soweit vergrößern, dass ich damit auf dem Pferd sitzen kann. Dann bedeckt der Mantel immer noch meine Beine dabei, was herrlich ist.

Ich besitze außerdem einen gefütterten Reitrock, der ebenfalls toll warm hält. Als besonderes Gadget hat er einen wasserdichten Überrock, mit dem man auch bei dichtestem Schneetreiben ausreiten kann, ohne nasse Beine zu bekommen. All diese Utensilien machen den Winteralltag erträglicher, auch wenn sie nicht allzu kleidsam sind.

Einen kleinen Tip noch für alle, die - wie ich - gern warme Ohren haben: Ich verwende seit Jahren im Winter meinen Snowboardhelm zum Reiten. Erstens ist der winddicht, zweitens kuschelig warm, drittens passt er super (ein Reithelm mit drunter gebastelter Mütze ist immer ein Kompromiss), viertens schützt er zuverlässig und fünftens - mein ganz persönlicher Geheimtipp: Man kann ihn mit Skibrille (oder Snowboardbrille) tragen. Keine tränenden Augen mehr beim Galopp durch Pulverschnee - und eine zusätzliche wärmende Schicht im ansonsten oft ungeschützten Gesicht. :)




Bewegung macht glücklich!

Je kürzer die Tage und je ungemütlicher das Wetter wird, desto verlockender ist der Gedanke, sich in einer Kuscheldecke auf dem Sofa zu verkriechen. Dennoch sollten wir darauf achten, dass wir unseren Aktivitätsmodus nicht zu sehr in den Keller fahren!

Ich versuche die Zeit, in der ich im Sommer noch aktiv bin, weil es noch hell ist (und von den Temperaturen oft gerade erst angenehm wird), auch im Winter mit körperlicher Aktivität zu füllen. Dafür mache ich mir in den frühen Abendstunden ganz gerne Sporteinheiten aus. Ich trainiere seit ein paar Jahren in einer Crossfit-Box, weil mir dieser Ausgleichssport für´s Reiten besonders gut in die Karten spielt. Durch das High-Intensity-Training, dass Teil jeder Einheit ist, kommt mein Puls ordentlich in die Höhe, mein Stoffwechsel wird auf Maximaltouren gebracht, ich komme ins Schwitzen und krieg den Kopf frei. Durch die freigesetzten Endorphine fühlt man sich im Anschluss zwar erschöpft, aber sehr zufrieden. Den Erschöpfungszustand nehme ich mit ins Bett - ich kann nach einer Sporteinheit und einer warmen Dusche ganz wunderbar schlafen.

Meine Sporteinheiten zaubern mir auch an den regnerischesten, grauesten und kürzesten Tagen des Winters ein Lächeln ins Gesicht. Durch die schon früh einsetzende Dunkelheit sind sie für mich ein Highlight des Abends, auf das ich mich regelrecht freue, wenn ich von der Stallarbeit rein komme. Der Sport ist Zeit für mich, Zeit in der ich mich durch die komplexen Bewegungsabläufe und die anstrengende Herausforderung ganz auf mich konzentrieren kann - und muss. Diese “Ich-Zeit” tut mir aber nicht nur körperlich gut - sie stärkt mich auch mental und emotional.

Ich kann nur jedem empfehlen, sich vor allem in den Wintermonaten verstärkt körperlich zu betätigen, es ist das beste natürliche Anti-Depressivum, das es gibt! Nebenbei hilft es dabei, nicht allzuviel Winterspeck anzusetzen.

Für unsere Pferde gilt übrigens das Gleiche. In vielen Ställen hält über den Winter Monotonie Einzug. Langeweile ist schrecklich, auch für Pferde. Sorge dafür, dass deinem Pferd nicht fad wird! Ich öffne zum Beispiel an frostigen oder schneereichen Tagen die Sommerkoppel, die dann durch den hart gefrorenen Boden oder die Schneedecke keinen Schaden nehmen kann. Ich hole mal nicht nur einen, sondern gleich 3, 4 oder alle Pferde auf den Reitplatz, wo sie in der Gruppe Dinge erkunden können, die ich vorher aufgebaut habe. Ich dekoriere den Auslauf mit Knabberästen um oder werfe Äpfel und Karotten in den tiefen Schnee, sodass sie danach suchen müssen. Wenn es die Bodenverhältnisse erlauben, gehe ich viel Ausreiten. Vor ein paar Jahren haben wir auch mal für Skikjöring trainiert, was uns allen sehr viel Spaß gemacht hat.


Beziehungsarbeit mit deinem Pferd

Der Winter ist die beste Zeit für intensive Beziehungsarbeit. Wenn die Tage für´s Reiten zu ungemütlich werden, schnapp dir dein Pferd und geh mit ihm spazieren. Oder mach mit ihm eine erfrischende Bodenarbeits-Einheit. Ich habe vor ein paar Jahren damit begonnen, bei ausreichender Schneelage unser Pony Hidalgo vor einen kleinen Holzschlitten zu spannen. Dann mache ich mich mit ihm auf in den Wald, wo ich Fichten- und Föhrenäste, Haselruten und Weidenzweige sammle und damit den Schlitten befülle. Diese Mitbringsel sind gesunder Knabberspaß für meine Pferde, die sich über die Abwechslung im Speiseplan freuen! Ich nutze den Winter für allerlei Blödel-Arbeit mit meinen Pferden. Meist können sie im Frühjahr darauf irgendwelche Kunsstückchen, wie Ja- oder Neinsagen, den spanischen Schritt oder Gegenstände apportieren.

Da ich meine Pferde nicht schere und nach Möglichkeit auch nicht eindecke, haben sie einen dicken Winterpelz. Sie haben natürlicherweise im Winter keinen so ausgeprägten Bewegungsdrang wie im Sommer. Das Pferde im Winter besonders “knackig” werden, kann ich überhaupt nicht bestätigen. Bei ausreichend Energiezufuhr bewegen sie sich zwar auch im Winter gerne, aber sie sind generell ruhiger als z.B. im Frühjahr. Wenn möglich, leben Tiere immer energie-effizient, das hat die Natur so eingerichtet, damit das normalerweise im Winter kärgere Nahrungsangebot für den Organismus ausreicht. Da ich meine Pferde sehr naturnah halte, nehme ich auch in der Winter-Arbeit darauf Rücksicht und reite hauptsächlich im Schritt, ab und an ein wenig Trab und selten - bei besonders einladenden Verhältnissen - mal einem flotten Galopp. Im besten Fall schwitzen sie nach dem Reiten nur wenig, sodass sie bereits 10 bis 20 Minuten danach schon wieder trocken sind. Dieses Schwitzen entspricht dem, was sie auch tun, wenn sie ganz ohne menschliches Zutun miteinander spielen oder durch den Schnee jagen.



Zielsetzung und Disziplin verkürzt die Winterzeit

Wenn man ein Ziel vor Augen hat, wird der Weg dorthin zum Zweck. Ich selbst versuche mir immer über den Winter mit meinen Pferden ein Ziel zu stecken, das ich auch erreichen kann. Die Ziele sind sehr individuell und mir hilft mein Erfahrungsschatz, sie einigermaßen gut abschätzen zu können. Wenn das gewählte Ziel zu schwer ist, wird man es am Weg aus den Augen verlieren oder die Lust, es zu erreichen, geht verloren. Trotzdem möchte ich Mut machen, sich durchaus hohe Ziele zu stecken, denn das Ergebnis schmeckt einfach besser, wenn es nicht alltäglich ist!

Ein Beispiel ist, ein Pferd über den Winter anzureiten. Oder zB ein reiterliches Thema vom Boden aus (Perspektivenwechsel) anzugehen. Ein Ziel könnte aber auch sein, sich über den Winter einer negativen Angewohnheit zu widmen (zB Gurt- oder Sattelzwang, Kleben an der Herde,…) und diese in eine positive Richtung zu entwickeln. Oder man nimmt sich vor, an eigenen Fähigkeiten zu arbeiten (geschmeidiger und beweglicher in der Hüfte sein, mehr Balance entwickeln, sich eigenen Ängsten stellen…). Egal was man macht, es hilft immer, das eigene Ziel zu formulieren.

Ich empfehle, es aufzuschreiben. Mach ein kleines Projektbüchlein daraus. Mein heuriges Büchlein hat den Titel “Winter 24/25”. Es enthält mehrere Kapitel. Eines davon lautet: “Monti wird ein Reitpferd.” Der Überschrift folgt immer als erstes die Beschreibung meines gesteckten Ziels und ein Datum, bis wann ich es erreicht haben will. Zum Beispiel steht bei mir: März 2025: Ausritte mit Monti allein und in der Gruppe. Von dem Datum an mache ich mir rückwärts Zwischenziele, also ich notiere, was alles nötig ist, um das Endziel zu erreichen. Zum Beispiel: Ausreiten in der Gruppe in Schritt und Trab, Reiten am Platz in der Gruppe, Reiten am Platz allein, Lenken im Schritt und Trab, Gewöhnen an das Reitergewicht, Gewöhnen an Auf- und Absteigen, Gewöhnen an den Sattel, die Trense usw… Ich datiere die Zwischenziele bis zum heutigen Tag, sodass ich weiss, mit was ich gleich loslege. In der Zeit bis März 2025 schreibe ich in Stichworten meine Trainingsfortschritte, aber auch eventuelle Rückschritte auf und passe meine Ziele an.

Ich bemühe mich fortan äußerst diszipliniert die Wochenziele zu erreichen, bei Widrigkeiten (Krankheit, Wetter, Verletzungen,…) bastle ich meinen Trainingsplan entsprechend um, bleib aber unbedingt dran! Das Tun ist wichtig!

Auf diese Weise wird jeder Winter zu einer besonders produktiven Zeit des Wachsens und der Entwicklung, und schneller als man sich versieht ist es Frühling und man hat ein Ziel erreicht, auf das man - zu Recht - stolz ist!

Das Geheimnis einer erfolgreichen Winterarbeit ist es, täglich dran zu bleiben und nicht auf Motivation, Lust & Laune oder besseres Wetter zu warten. Diese Dinge werden sich im Winter nur selten einstellen, und man darf sie nicht als Ausrede verwenden, ins Nichtstun zu verfallen.





Der Winter - die perfekte Zeit zum Anreiten

Meine Jungpferde, vor allem “die Speziellen”, reite ich gerne bei viel Schnee an. Der hohe Schnee dämpft nicht nur Geräusche, sondern auch übermäßigen Bewegungsdrang, Fallhöhe und Aufprallwucht. Die Vorarbeit findet natürlich schon in den Herbstmonaten statt, und je nach Charakter sitze ich auch schon früher auf. Aber bei so manchem Kandidaten war ich schon froh, für das erste Antraben oder den ersten Galopp die beschriebenen Vorzügen einer weichen Schneedecke als Unterstützung zu haben. Wenn man auch bei schwierigen Pferden den Humor nicht verliert, weil es weder für Pferd noch Mensch gefährlich wird, ist das für beide Seiten eine gute Sache.

Ich hoffe, ein paar meiner Tipps können auch dir durch die Winterzeit helfen, damit die ruhigste und kälteste Zeit des Jahres dich nicht allzusehr in Blues-Stimmung bringt.







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Hindernisse der Working Equitation